Fische: Fischfang und Fischzucht in Aquafarmen

Bildquelle: shutterstock.com / Tosaphon C

Schmerzempfinden und Leidensfähigkeit sind bei Fischen ebenso vorhanden wie bei Säugetieren. Durch Überfischung sind immer mehr Arten vom Aussterben bedroht. Nachhaltige Fischerei oder Fischzucht in Aquakulturen sind in der Praxis quasi unmöglich.

Fische besiedelten schon vor über 450 Millionen Jahren die Meere. Damit sind sie die älteste und artenreichste Wirbeltiergruppe unseres Planeten. Durch ihre Anpassungsfähigkeit konnten sie fast jedes Gewässer besetzen: vom sprudelnden Bergbach bis hin zu den Weltmeeren. Doch ihr Bestand verringert sich rasant. Grund dafür sind vor allem der Fischfang und die Fischzucht in Aquafarmen.

Hätten Sie’s gewusst?

Hätten Sie’s gewusst?

Weltweit zählt man etwa 30.000 verschiedene Fischarten. Jedes Jahr werden, durch Zufall oder auch auf Forschungsexpeditionen, neue Fischarten entdeckt.

Überfischung: Individuen sterben massenweise

Jährlich werden etwa 93 Millionen Tonnen dieser Meereslebewesen aus der Tiefe abrupt an die Oberfläche geholt – und das unter unvorstellbaren Qualen.1 Durch die wechselnden Druckverhältnisse zerreißen ihre Schwimmblasen und ihre Augen treten ihnen aus den Höhlen. An Bord der Schiffe ersticken die Fische dann langsam und qualvoll oder werden vom Gewicht ihrer Artgenossen erdrückt. Auf diese Weise müssen weltweit bis zu 2,7 Billionen fühlende Individuen jährlich sterben, der inzwischen Überhand nehmende illegale Fischfang noch gar nicht mitgerechnet.2

Beifang verursacht unnötiges Leiden und Sterben

Umweltgefährdende Fangmethoden und unzureichende Fischereigesetze haben verheerende Auswirkungen auf die Weltmeere und ihre Lebewesen. Viele Millionen Meeresbewohner landen pro Jahr unbeabsichtigt als sogenannter Beifang in den Netzen der Fischer. Etwa 40 % der gefangenen Tiere werden wieder über Bord geworfen, da sie für die Fischer nicht profitabel sind.3 Als Beifang gelten alle unbeabsichtigt mitgefangenen Meeresbewohner – darunter auch 300.000 Wale und Delfine.4 Die meisten von ihnen überleben diese Tortur nicht. Sie sterben entweder durch die Fangprozedur oder verenden später langsam und qualvoll aufgrund von Verletzungen oder Stress.5

Fischbestände gehen rasant zurück

Mangelnde oder unzureichende Fangverbote sowie viel zu hohe Fangquoten haben dazu geführt, dass beispielsweise in der Nordsee der Bestand laichfähiger Fische dramatisch gesunken ist. Heute gelten etwa 90 % der weltweiten Fischbestände als überfischt oder bis an die Grenze der Nachhaltigkeit ausgereizt. Betroffen ist z. B. auch der Kabeljau im Nordwest-Atlantik. Nach einem dramatischen Einbruch Ende der 90er-Jahre haben sich die Kabeljau-Bestände nur langsam wieder stabilisiert. Von den sieben hauptsächlich gefangenen Thunfischarten werden 41 % der Bestände nicht nachhaltig genutzt.1

Meeresökosystem gerät aus dem Gleichgewicht

Die Überfischung hat fatale Folgen für die Ökosysteme der Meere. So gehen nicht nur die Bestände der Arten stark zurück, die für den menschlichen Verzehr genutzt werden, sondern auch die Bestände der als Beifang geltenden Tiere. Ebenso leiden die Populationen von Meeresvögeln, Quallen und Plankton beträchtlich unter der massiven Fischerei.6 Zudem belasten gerade auch die Fangmethoden die Ökosysteme. So zerstören etwa Grundschleppnetze, die für den Fang von Scholle, Seezunge oder Krebstieren verwendet werden, den Meeresboden und die hier vorkommenden Lebewesen wie Korallen.

Hätten Sie’s gewusst?

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In Aquafarmen werden für 1 Kilogramm gezüchtetes Lachsfleisch 5 Kilogramm kommerziell gefangene Fische für die Fütterung benötigt.

Fischzucht in Aquakulturen

Die Fischzucht in Aquafarmen nimmt weltweit bedenklich zu. Neben Karpfen, Forelle oder Wels werden auch Meeresfische wie Lachs und Dorade in Aquafarmen gezüchtet. Im Jahr 2014 wurden weltweit über 73 Millionen Tonnen Fisch in Aquakulturen produziert.1 Die hohe Besatzdichte in dieser Haltungsform führt bei den Tieren zu erhöhtem Stress sowie zu erhöhter Verletzungsgefahr und Anfälligkeit für Krankheiten.7

Aquakulturen schaden auf vielfältige Weise der Umwelt. Der Einsatz von Antibiotika und anderen Chemikalien verunreinigt die Gewässer und kann im schlimmsten Fall die Entstehung resistenter Bakterienstämme fördern, die auch für den Menschen gefährlich werden können. Fäkalien und Nahrungsrückstände belasten die Umwelt und können zu einer Überdüngung der Gewässer und einer Abnahme der Artenvielfalt führen.8

In Aquafarmen werden viele Raubfische gezüchtet wie etwa Lachs oder Forelle. Dadurch verschärft sich das Problem der Überfischung, da als Futter wiederum Fische dienen.1,9 Für die weltweite Nachfrage nach Fischmehl werden Sardellen bis zur Erschöpfung der Bestände abgefischt.

Angeln: grausames Hobby

Während die Jagd auf wildlebende Tiere mittlerweile von vielen Menschen abgelehnt wird, gilt Angeln bei vielen immer noch als entspannendes Hobby – vermutlich aber nur, weil Fische nicht schreien können. Für den Fisch jedoch bedeutet Angeln erhebliches Leiden: Der Angelhaken bohrt sich in die Mundhöhle und reißt tiefe Wunden, der Fisch kämpft verzweifelt um sein Leben, während er ruckartig aus seinem Lebensraum gerissen wird und in Atemnot gerät. Auch das sogenannte „Catch-and-Release“-Angeln, bei dem der Fisch wieder zurück ins Wasser geworfen wird, bedeutet nicht weniger Leiden. Denn auch diese Praxis sorgt bei den Tieren für erhebliche Verletzungen und Stress, sodass sie stark geschwächt und mit schlechten Überlebenschancen in ihren Lebensraum zurückkehren.

Fische haben unterschiedliche Sozialsysteme

So wie bei Landtieren findet man auch bei Fischen sehr unterschiedliche Sozialsysteme.10,11 Manche Fischarten leben als Einzelgänger wie die Forelle. Andere leben in Paaren und wieder andere schließen sich zu losen Gruppen oder großen Schwärmen zusammen wie der Thunfisch. Dank ihres Langzeitgedächtnisses können Fische komplexe soziale Beziehungen aufbauen. Sie besitzen zudem ein räumliches Erinnerungsvermögen, welches ihnen ermöglicht, mentale Landkarten zu erstellen, mit denen sie sich in Gewässern orientieren.12

Fische empfinden Schmerzen

Oft wird mit der Aussage „Fische empfinden keine Schmerzen“ versucht, jegliche Diskussion um deren Leidensfähigkeit zu vermeiden. Fische können nicht schreien, und man sieht ihnen ihre Schmerzempfindungen nicht an. Daher bleibt bei uns häufig das Unbehagen aus, das wir empfinden, wenn wir zum Beispiel Schweine, Rinder oder Hühner leiden sehen. Doch die Forschung bestätigt zunehmend, dass sie Schmerzempfinden können. So verfügen auch Fische über sensorische Systeme sowie Hirnstrukturen und Funktionen, die für die Wahrnehmung von Schmerz, Angst und Stress verantwortlich sind.13,14,15 Auch Verhaltensweisen wie Abwehrreaktionen auf Schmerzreize unterstützen diese Annahme.16

Karnismus erkennen

Karnismus erkennen

Die meisten Menschen betrachten den Verzehr von Tieren und tierischen Produkten als eine Selbstverständlichkeit und nicht als etwas, dass sie vor eine Wahl stellt. Karnismus bezeichnet das unsichtbare Glaubenssystem, das Menschen darauf konditioniert, bestimmte Tierarten zu essen.

Nachfrage nach Fisch steigt

Trotz überfischter Meere und Seen wächst die weltweite Nachfrage nach Fisch. Laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO lag der weltweite Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch im Jahr 2014 bei 20 Kilogramm.6So sorgt etwa die weltweit steigende Nachfrage nach Sushi dafür, dass der Thunfisch zunehmend in seiner Existenz bedroht ist. Das als gesund geltende Fast Food ist mittlerweile an fast jeder Straßenecke erhältlich – über die fatalen Auswirkungen der Überfischung sind sich jedoch die wenigsten Konsumenten im Klaren. So sind allein die nordpazifischen Thunfischbestände um mehr als 96 % geschrumpft.17

Bitterer Beigeschmack: Fische enthalten Quecksilber, Dioxin und Blei

Allein die Tatsache, dass Fische alle Schadstoffe im Wasser aufnehmen und in ihren Körpern anreichern, sollte den Konsumenten nachdenklich stimmen. Dabei gilt als Faustregel: Je höher der Fisch in der Nahrungskette, desto höher die Konzentration an Giftstoffen in seinem Körper. Betroffen hiervon sind auch die beliebten Arten Lachs und Thunfisch.18 Denn große Raubfische fressen kleinere Meeresbewohner und nehmen deren Giftstoffe auf, die sich dann in ihrem Organismus ansammeln und konzentrieren (Bioakkumulation). Mit dem Verzehr von Fischen konsumiert man zum Beispiel Quecksilber, PCB (Polychlorierte Biphenyle), Dioxin, Blei und Arsen, wodurch diverse ernsthafte Gesundheitsprobleme entstehen können: von Nierenschäden über geistige Entwicklungsstörungen und Krebs bis hin zum Tod.19 Die auf Aquafarmen gezüchteten Fische stellen hierzu keine gesündere Alternative dar. Denn sie bekommen Antibiotika und Chemikalien verabreicht , um Parasiten, Haut- und Kiemeninfektionen zu bekämpfen – alles Folgen der unnatürlichen Haltungsbedingungen.

Hätten Sie’s gewusst?

Hätten Sie’s gewusst?

Von der ursprünglichen Population des Blauflossen-Thunfischs sind nur noch 20 % übrig. Durch die starke Überfischung ist diese Art vom Aussterben bedroht.

Umdenken dringend erforderlich

Wer Fisch bisher für ein ethisch, ökologisch und gesundheitlich unbedenkliches Lebensmittel hielt, sollte in Anbetracht der Fakten erneut darüber nachdenken, ob Fisch tatsächlich eine Alternative zu Fleisch darstellt. Denn Fische können nicht nur Schmerzen empfinden, sondern verfügen auch über komplexe kognitive Fähigkeiten und Sozialstrukturen. Entscheidend ist, dass sowohl eine nachhaltige Fischerei als auch eine nachhaltige Fischzucht in Aquafarmen in der Praxis quasi unmöglich ist. Vor dem Hintergrund der enormen Fangmengen und der Belastung von Umwelt, Natur und Fischpopulationen ist ein Umdenken dringend notwendig.

Anna-Lena Klapp, Daniel Braune, Jens Tuider

Quellen

1 FAO (2016): The State of World Fisheries and Aquaculture 2016: Contributing to food security and nutrition for all. Rome.

2 WWF (2004): Cetacean bycatch and the IWC. Online unter http://d2ouvy59p0dg6k.cloudfront.net/downloads/bycatchjuly12lowres2004.pdf [13.09.2016]

3 Mood, A. & P. Brooke (2010): Estimating the Number of Fish Caught in Global Fishing Each Year. Online unter: http://fishcount.org.uk/published/std/fishcountstudy.pdf. [22.01.2017]

4 Davies, R. W. D. , S. J. Cripps, A. Nickson & G. Porter (2008): Defining and Estimating Global Marine Fisheries Bycatch. Marine Policy 33, no. 4, S. 661–72.

5 European Commission (2015): EU getting on board with the landing obligation. Online unter https://ec.europa.eu/dgs/maritimeaffairs_fisheries/magazine/en/policy/eu-getting-board-landing-obligation [22.03.2017]

6 World Ocean Review (2013): The Future of Fish: The Fisheries of the future. Online unter http://worldoceanreview.com/wp-content/downloads/wor2/WOR2_english.pdf [22.03.2017]

7 Stevenson, P. (2007): Closed Waters: The Welfare of Farmed Atlantic Salmon, Rainbow Trout, Atlantic Cod & Atlantic Halibut. Compassion in World Farming  and World Society for the Protection of Animals

8 Allsopp, M., P. Johnston & D. Santillo (2008): Challenging the Aquaculture Industry on Sustainability – Greenpeace Research Laboratories Technical Note 01/2008: Online unter: http://www.greenpeace.to/publications/Aquaculture_Report_Technical.pdf [22.03.2017]

9 Tacon, A. G. J. & M. Metian (2008): Global overview on the use of fish meal and fish oil in industrially compounded aquafeeds: Trends and future prospects. Aquaculture 285, 1-4, S. 146 – 158

10 Peichel, C. L. (2004): Social Behavior: How Do Fish Find Their Shoal Mate? Current Biology 14, no. 13, S503–504.

11 Engeszer, R. E., M. J. Ryan & D. M. Parichy (2004): Learned Social Preference in Zebrafish. Current Biology 14, no. 10, S. 881–884.

12 Brown, C. (2015). Fish Intelligence, Sentience and Ethics. Animal Cognition 18, no. 1, S. 1–17.

13 Sneddon, L. U. , V. A. Braithwaite & M. J. Gentle (2003): Do Fishes Have Nociceptors? Evidence for the Evolution of a Vertebrate Sensory System. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences 270, no. 1520, S. 1115–1121.

14 Heath, A. G. & G. M. Hughes (1973): Cardiovascular and Respiratory Changes During Heat Stress in Rainbow Trout (Salmo Gairdneri). Journal of Experimental Biology 59, no. 2 (October 1, 1973): 323–38.

15 Arends, R. J., J. M. Mancera, J. L. Muñoz et al. (1999): The Stress Response of the Gilthead Sea Bream (Sparus Aurata L.) to Air Exposure and Confinement. The Journal of Endocrinology 163, no. 1 (October 1999): 149–57.

16 Segner, H. (2012): Fish: Nociception and Pain: a Biological Perspective. Contributions to Ethics and Biotechnology 9. Bern: Federal Office for Buildings and Logistics.

17 The Guardian (2013): Overfishing causes Pacific bluefin tuna numbers to drop 96%. Online unter https://www.theguardian.com/environment/2013/jan/09/overfishing-pacific-bluefin-tuna [22.03.2017]

18 Gerstenberger, S. L., A. Martinson & J. L. Kramer (2010): An Evaluation of Mercury Concentrations in Three Brands of Canned Tuna. Environmental Toxicology and Chemistry 29, no. 2 (February 2010): 237–42.

19 Simonetta, C., N. Ademollo et al. (2005): Persistent Organic Pollutants in Edible Fish: A Human and Environmental Health Problem. Microchemical Journal, XI Italian Hungarian Symposium on Spectrochemistry, 79, no. 1–2 (January 2005): 115 (Quelle: VEBU 03/2017)